Es gibt Umfragen mit dem erstaunlichen Ergebnis, dass mehr Menschen an Engel glauben als an Gott.
Engel haben in unserer Zeit wieder Hochkonjunktur. Sie sind nicht nur im Advent und an Weihnachten allgegenwärtig. Leuchtend weiß oder glitzernd bunt. Traditionell, kitschig oder auch edel. Aus Draht, Papier, Gips oder Holz. In allen Formen und Farben: Engel. Überall stehen sie rum: auf Fensterbänken, Bücherregalen und Verkaufstresen: Engel. Scheinen zu warten, dass sie jemand anschaut, kauft oder einfach nur abstaubt.
Wobei: Eigentlich stehen Engel selten rum. Sie sind in Bewegung, brauchen dafür gar keine Flügel.
Der Glaube, dass jeder Mensch von einem besonderen Schutzengel begleitet wird, drückt die Sehnsucht und die Zuversicht aus, auf allen unseren Wegen von Gott begleitet und gut behütet zu sein. Dies wollen uns auch die kirchlichen Feste der kommenden Tage anzeigen: das Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael am 29. September (oft nur kurz Michaelistag genannt) und das Schutzengelfest am 2. Oktober.
Dass die Kirche der Engelwelt so viel Raum gibt, hat u.a. seinen Grund in so unmissverständlichen Worten Jesu, die er über eine Schar Kinder um ihn herum äußert: „Ihre Engel im Himmel schauen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“ (Mt 18,10)
Diese Bibelstelle ist die Grundlage für den Glauben, dass jedem Menschen mit der Geburt ein persönlicher Schutzengel zur Seite gestellt ist, der ihn begleitet bis zum Tod und ihn auch über die Schwelle des Todes in Gott hinein trägt.
Für den heiligen Augustinus war „Engel“ die Bezeichnung für eine Aufgabe, nicht für ein Wesen. Als Boten Gottes können sie ganz unterschiedliche Gestalt haben: geheimnisvoll, unsichtbar und auch ganz konkret als Person.
Natürlich dürfen wir die Vorstellung vom Schutzengel nicht zu naiv sehen, sonst würde uns jeder Unfall, jede Krankheit und jedes Sterben eines Menschen den Glauben an den Schutzengel zerstören. Der Schutzengel schützt uns nicht vor Unfall, vor Krankheit und vor dem Tod, aber ganz gewiss in der Krankheit und im Sterben. Unser innerster Kern bleibt geschützt.
Die Bibel erzählt an vielen Stellen von Engeln, die Menschen begleiten, schützen und als ihre Helfer auftreten. Engel verkünden, wenn Gott seine Finger im Spiel hat. Wie sonst hätte Maria gewusst, dass ihr Kind direkt von Gott kommt. Wie sonst hätte später Josef gewusst, dass er mit Maria und dem kleinen Jesus vor Herodes fliehen muss.
Engel sorgen also dafür, dass Gottes Wille sich durchsetzt. Mal leise, mit sanften Worten, mal machtvoll und energisch. Und in all dem glaube ich, dass Gott uns nahe ist. Dass es ihm um uns geht, unser Seelenheil.
So kann ein Mensch für uns zum Engel werden, wenn er uns im richtigen Augenblick beisteht. Ein innerer Impuls kann vom Engel kommen, der uns anregt, gerade auf diesen Menschen zuzugehen und ihn anzusprechen. Im Traum kann uns ein Engel erscheinen und eine Botschaft vermitteln.
Engel greifen bisweilen spürbar in unser Leben ein. Manchmal helfen sie uns, sprechen uns Mut zu und schenken uns Kraft. Manchmal sagen sie aber auch: „Du bist auf dem falschen Weg. Kehre um."
Der Lyriker Rudolf O. Wiemer beschreibt Engel in einem Gedicht so: „Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.“
Achten Sie doch mal drauf, ob Sie einen entdecken: ohne Kitsch und Klimbim, aber mit Lust und Liebe. Einen menschlichen Gottesboten. Und ihm dann einfach „Danke!“ sagen: „Mensch, dich schickt der Himmel! Du bist ein Engel!“ Und vielleicht sind Sie ja auch selbst einer…
Christoph Glaser,
Diakon im pastoralen Raum Bad Kissingen