Wallfahrten haben bei uns in Franken eine lange Tradition; denn die Kirche selbst versteht sich als Volk Gottes unterwegs. Dies wird bei uns wörtlich genommen.
Von Mai bis Oktober machen sich viele Menschen auf den Weg, um gemeinsam oder allein „mit den Füßen zu beten“, wie das Pilgern treffend bezeichnet wird.
Vor diesem Hintergrund findet alljährlich zum Fest „Maria Schmerz“, am dritten Septemberwochenende die Wallfahrt der Oerlenbacher und vieler, die sich aus den Nachbarorten und unterwegs anschließen statt. Der Großteil von ihnen nimmt an den beiden Tagen den knapp 100 Kilometer langen Hin- und Rückweg auf sich, um miteinander zu beten und zu singen, sich zu unterhalten oder in Stille zu laufen. Ziel ist die Gnadenstätte „Maria im grünen Tal“ in Retzbach, seit den 60er Jahren zusätzlich Gebetsstätte um die Einheit der Christen.
Für Fragen, Anregungen und Kritik stehen Christoph Griebling, Andreas Erhard und Nils Seidl zur Verfügung.
Ablauf
Gleich geblieben sind in all der Zeit Weg und Zeit. Die Fußpilger brechen in der Nacht zum Samstag um 2.30 Uhr in der Pfarrkirche St. Burkard in Oerlenbach mit dem Segen des Pfarrers auf. Über Ebenhausen, Poppenhausen, Kronungen, Kützberg, Obbach, Brebersdorf und Kaisten wird um 7 Uhr Frühstückspause in Schwebenried eingelegt. nach einer Stunde geht es über Arnstein und im Werntal weiter nach Binsfeld, wo um 11 Uhr das Mittagessen wartet. Die letzte Etappe führt über Thüngen und den Höhenzug zu Weinbergen hinab nach Retzbach, das um 14.30 Uhr erreicht wird. Bei der Ankunft drückt das Lied als „O Freuden über Freuden, dass ich gekommen an“ innere Stimmung und Glück aus.
Nach Begrüßung und kurzer Erfrischung folgt der Kreuzweg. Um 18.45 Uhr beginnt die abendliche Liturgie mit Bußgottesdienst, Lichterprozession und Eucharistiefeier. Der Tag klingt mit gemütlichem Miteinander bei einem Wallfahrtsschoppen im Kolpingheim aus. Mit dabei sind viele, die per Bus bzw. Privat-PKW anreisten und mitfeierten.
Früh aufstehen heißt es am Sonntag; denn bereits um 6 Uhr ist Morgengottesdienst. Nach dem Frühstück wird um 8 Uhr der Heimweg auf gleicher Route angetreten. Eine erste Rast ist in Reuchelheim, um 13 Uhr Mittagessen in Schwebenried. Nach weiteren Stärkungen in Brebersdorf und Kronungen wird gegen 20 Uhr Oerlenbach erreicht. In Lichterprozession geht es zur Kirche, wo mit „Großer Gott, wir loben dich“ und „Segne du Maria“ die beiden Tage zu Ende gehen.
Immer mit dabei sind die „Retzbachmusikanten“, seit vielen Jahren geleitet von Otmar Lutz. Sie begleiten unterwegs nicht nur den Gesang, sondern verdeutlichen mit Ständchen den Dank an all jene, die unterwegs Gastfreundschaft gewähren.
Unverzichtbar sind die Helfer für Verkehrssicherheit und Fahrdienste sowie Sanitäter und Vorbeter.
Leitung der Wallfahrt
Umfassende Vorbereitungen und sorgfältige Abwicklung erfordert die alljährliche Wallfahrt. In vorderster Verantwortung steht der Leiter der Wallfahrt. Diese Aufgabe übernahmen einst Otto Kuhn und Alfred Herterich. Ihm stand ab 1967 Wilhelm Karch zur Seite, ehe dieser 1986 für 23 Jahre an die vorderste Stelle rückte. Mehr als 50 mal pilgerte er selbst nach Retzbach und kümmert sich bis heute um die Übernachtungen auf der Benediktushöhe. In seine Fußstapfen trat 2009 Otmar Seidl, der 23 Jahre zuvor seinem Vorgänger zur Seite stand und zuvor bereits verantwortliche Bereiche abdeckte. Als sein Stellvertreter fungiert Otmar Lutz.
Seit November 2015 fungiert als Wallfahrtsleiter Otmar Lutz. Seine unmittelbaren Mitarbeiter und Vertreter sind Andreas Erhard und Nils Seidl.
Im Jahr 2023 löste Christoph Griebling als Wallfahrtsleiter Otmar Lutz ab. Seine Vertreter sind weiterhin Andreas Erhard und Nils Seidl.
Ehrenwallfahrtsleiter aufgrund ihrer vielen Verdienste um die Wallfahrt sind:
Wilhelm Karch
Otmar Seidl
Entstehung
Wann entstand die Oerlenbacher Wallfahrt? Welche Beweggründe gab es? Darauf gibt es keine endgültig belegte Antwort. Denkbar wären – so erwähnt Leo Weingärtner in der Chronik der Kirchengemeinde Oerlenbach - ein Gelübte nach Missernten bzw. Plünderungen im Zusammenhang mit dem preußisch-bayerischen Krieg von 1866 oder Menschen, die von auswärts nach Oerlenbach kamen und das Pilgern anregten.
Anhaltspunkt ist auf jeden Fall das Wallfahrtsbild mit der Jahreszahl 1868. Außerdem dient als Nachweis eine kleine Urkunde, nach der Margarethe Seufert aus Ebenhausen am 14. September 1868 in die Wallfahrtsbruderschaft Retzbach durch Pfarrer Köberlein aufgenommen wurde.
In diese Zeit zurück reichen Namen von Bewohnern, die an den ersten Wallfahrten teilgenommen haben sollen. Leo Weingärtner listet gemäß der Aussagen älterer Mitbürger folgende Personen auf: Lorenz Full (Alte Rathausstraße 4), Georg Machmert (Hauptstraße 11), Andreas Nöth (Hauptstraße 14), Andreas Werner und Nikolaus Zenglein.
Entwicklung der Wallfahrt
Aus der Anfangszeit und den nachfolgenden Jahrzehnten fehlen Aufzeichnungen. Eine schwierige Phase brachte die NS-Zeit; denn das Hitler-Regime forderte ab 1933 eine Sondergenehmigung, ehe ab 1941 das Wallfahren verboten war. Doch dies hinderte nicht, an der Wallfahrt in besonderer Weise festzuhalten: Einzeln machten sich Pilger auf den Weg, um in Abschnitten in unauffälliger Weise nach Retzbach zu kommen.
1945 holte Otto Kuhn bei der amerikanischen Besatzungsmacht die Genehmigung ein, wieder offiziell nach Retzbach pilgern zu dürfen. Festgelegt war, dass nicht mehr als 60 Personen und ein Wagen teilnehmen durften und der Hinweg am 15. September um 2.30 Uhr aufgenommen werden konnte.
In den 60er und vor allem 70er Jahren des letzten Jahrhunderts schlossen sich immer mehr Gläubige der Wallfahrt an. Besonders gefeiert wurde 1967 das 100jährige Jubiläum.
Heute nehmen etwa 130 Pilger den Fußweg in Angriff. Unterwegs wächst die Zahl auf um die 300 an. Zurück starten in Retzbach im Schnitt 180 Personen.